Aufruf der KPD/ML zur Liebknecht-Luxemburg-Lenin Demonstration
10. Januar 2010, um 10:00 vom U-Bhf. Frankfurter Tor zur Gedenkstätte der Sozialisten in Friedrichsfelde, Berlin

Karl und Rosa leben in unserem Kampf!
Die Erinnerung an sie ist der Aufruf zum Kampf gegen den Kapitalismus!

Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht lebten und kämpften als revolutionäre Sozialisten unversöhnlich gegenüber der bürgerlichen Ordnung. In ihren Reden und Aufsätzen verstanden sie es, die Brutalität und den Wahnwitz der kapitalistischen Ordnung zu geißeln, die aller Heuchelei zum Trotz die Massen entrechtet, auspowert und in Kriegen elend umkommen lässt. Ihr Wirken begann zu einer Zeit, als die ursprünglich revolutionäre deutsche Sozialdemokratie zu einer Reform-Partei der Zusammenarbeit mit dem Kapital herunterkam. Die Grundlage der Gesellschaft, das Privateigentum an den Produktionsmitteln unangetastet zu lassen, stattdessen auf dem parlamentarischen  Weg schrittchenweise mittels gesetzlicher Reformen die Übel des Kapitalismus zu kurieren, wurde offizielle SPD-Linie. Luxemburg und Liebknecht wiesen das Illusorische des Reformismus nach. Rosa Luxemburg betonte gegenüber dem damaligen Hauptvertreter  der Revision revolutionärer Grundsätze, Bernstein: „Im übrigen bin ich der Meinung, dass dieser Staat zerstört werden muss.“

Die Grundtendenz des kapitalistischen Wirtschaftssystems besteht nicht darin, die Lebenshaltung der Menschen zu verbessern. Der Kapitalismus stellt mit seinen Krisen vielmehr stets erneut alle mühsam erkämpften sozialen Verbesserungen und demokratischen Rechte infrage, woran keine Reform etwas ändern kann. Der erste Weltkrieg zeigte, was die Predigt des Reformismus über wachsende Harmonie der bürgerlichen Ordnung und die Möglichkeit, Krisen und Kriege künftig zu vermeiden, wert war. Während die SPD die Eroberungspolitik der deutschen Imperialisten unterstützte und endgültig zu einer prokapitalistischen Partei wurde, verweigerte Karl Liebknecht im Reichstag mutig die Kriegskredite. Doch die Kritik der revolutionären Linken musste noch eine andere Seite des Reformismus erfassen.

Ein Kerngedanke des revolutionären Marxismus lautet, dass die Befreiung der Arbeiter nur das Werk der Arbeiter selbst sein kann. Soll heißen: Die Überwindung des Kapitalismus ist nicht möglich als das Werk einer wohlmeinenden aufgeklärten Elite. Und zwar vor allem deshalb, weil die lohnabhängig Beschäftigten nur durch die selbständige Organisierung, die eigene Tat ihre gesellschaftliche Stellung und die dazugehörige Lohnarbeitermentalität überwinden können. Auch diese Einsicht von Marx, die im gesellschaftlichen Denken etwas Neues darstellte, wurde nun von den SPD-Führern ad acta gelegt. Sie wollten mit den Herrschenden zusammenwachsen, Teil der Politprominenz werden. Folgerichtig traten sie in der Novemberrevolution 1918 für die Einrichtung eines Parlaments ein, mit dem jede selbständige politische Regung der Bevölkerung am leichtesten ausgeschaltet werden kann.

Die Linken um Luxemburg und Liebknecht orientierten auf ein Rätesystem, weil dieses Möglichkeiten bot, immer mehr bisherige Zuschauer zu politisch Aktiven zu machen, die sich nicht mehr als Manövriermassen für fremde Interessen eigneten. Kurz nachdem Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht die KPD begründet und damit den endgültigen Bruch mit der Sozialdemokratie vollzogen hatten, ließ die Reaktion beide Arbeiterführer feige ermorden. Rosa Luxemburg hat die russische Oktoberrevolution 1917 begeistert begrüßt. In einer kurz danach geschriebenen Kritik an der Politik der Bolschewiki warf sie die Frage auf, wer in Sowjetrussland künftig Herr der Lage, politischer Souverän sein wird: die Arbeiter, die Werktätigen oder die Funktionäre  und Leiter der neuen Ordnung.

Wir meinen, dass Luxemburg in der Beurteilung der damaligen Politik der Bolschewiki irrte: Die revolutionären Arbeiter können nur unter Führung ihrer kommunistischen Partei ihre Hegemonie ausüben. Die geschichtliche Erfahrung hat zwar gezeigt, dass die Arbeitermacht zugrunde gerichtet wird, wenn die Führer von Partei und Staat alles tun, um die Konzentration aller Entscheidungsbefugnisse in ihren Händen zu behaupten und zu verstärken, anstatt die maximale Selbsttätigkeit möglichst vieler Gesellschaftsglieder zu stärken und damit auf die klassenlose Gesellschaft hinzuarbeiten. Doch das Tempo, in dem sich der Sozialismus auf die klassenlose Gesellschaft zu bewegen kann, hängt entscheidend auch von den Umständen ab, und die Bolschewiki stießen im rückständigen Russland diesbezüglich auf sehr schlechte Bedingungen. Hätten die Bolschewiki unter diesen ungünstigen Bedingungen nicht dafür gesorgt, dass alle wichtigen Kompetenzen in den Händen der kommunistischen Partei konzentriert wurden, so wäre es bald zur Niederlage der Revolution gekommen.

Doch trotz ihres Fehlers bei der Beurteilung der damaligen Politik der Bolschewiki ist Luxemburgs Frage aus heutiger Sicht von zentraler Bedeutung. Zeigt doch die Erfahrung, dass gerade nach der Enteignung des Großkapitals und der revolutionären Schaffung eines Arbeiterstaates ein langwieriger  Kampf geführt werden muss, um die ererbte Teilung der Gesellschaft in nur Leitende und nur Ausführende, in 'oben' und 'unten' real aufzuheben. Solange diese Aufhebung nicht Tatsache geworden ist, wird es unter den Funktionsträgern der neuen Ordnung die spontane Tendenz geben, erneut ein Herrschaftsverhältnis gegenüber den Arbeitern und allen Werktätigen zu errichten. Wird diese Tendenz in der vormals revolutionären Arbeiterpartei und im Staat bestimmend, verändert die Gesellschaft ihren Charakter. Trug sie vorher die Möglichkeit in sich, die reale gesellschaftliche Gleichstellung der früher Unterdrückten zu erreichen, ist sie nun ihrem Wesen nach eine Herrschaft der Funktionäre, die ihre Stellung bis zum Ende der Welt aufrechterhalten wollen. Diese Herrschaft beruht dabei weiterhin auf dem Staatseigentum, ist jedoch nur eine Übergangsgesellschaft zurück zum Kapitalismus. Zu eben diesem Stand der Dinge hat die historische Entwicklung im so genannten realen „Sozialismus“ geführt, Jahrzehnte bevor ihn sein Zusammenbruch ereilte.

Dem Marx'schen Sozialismus, einer Gesellschaft der fortschreitenden „Emanzipation der arbeitenden Klassen“, steht diese Funktionärsherrschaft gemessen an den Beziehungen zwischen Funktionären und Arbeitern, ihrem sozialen Charakter, folglich ihren Entwicklungsmöglichkeiten diametral gegenüber. Es war die Aufgabe der Ideologen der Funktionärsherrschaft, zu vertuschen, dass sich in diesen Gesellschaften erneut  Unterdrücker und Unterdrückte gegenüberstanden und dazu obendrein die Revolutionäre Marx und Lenin zu missbrauchen.

„Die proletarische Revolution kann sich nur stufenweise, Schritt für Schritt, durch Niederlagen und Siege, zur vollen Klarheit und Reife durchdringen.“ (KPD-Gründungsparteitag, 1918)

In der mit linkem Anspruch geübten Kritik an den real-sozialistischen Verhältnissen war seit je die so genannte Reform „sozialistische“ Richtung dominierend. Deren Stichworte: Demokratisierung des Sozialismus, menschlicher Sozialismus, zuletzt Glasnost und Perestroika oder dritter Weg. Hierbei versuchte man auch, sich des Erbes Rosa Luxemburgs zu bedienen. Faktisch trug diese Richtung zur geistigen Demontage der Funktionärsherrschaft bei, die ein Vorspiel ihrer materiellen Demontage war, in deren Ergebnis z.B. in der ehemaligen DDR die ungekrönten Häupter des (westdeutschen) Großkapitals das eigentliche Sagen haben. Bei dem jahrzehntelangen Streit zwischen den so genannten „Orthodoxen“, angeblichen  Stalinisten, und den „Reformern“ handelt es sich stets um eine Auseinandersetzung zwischen Leuten, die sich beiderseits von den „revolutionären Träumern“ Marx, Lenin oder Luxemburg, also vom revolutionären Marxismus, verabschiedet hatten. Ob Dubcek und Havemann contra Breschnew und Ulbricht oder 20 Jahre später Gorbatschow und Gysi contra Honecker - man war sich stets insoweit einig, dass alle marxistischen Vorstellungen über die reale Stärkung der gesellschaftlichen Rolle der Arbeiter und Angestellten einer vergangenen romantischen Periode der Arbeiterbewegung angehören und auf ewig ins Reich der Utopie verbannt werden müssen. Nur wollten die Gralshüter des realen „Sozialismus“ immer noch ein Weilchen länger auf dem Thron bleiben, während die Reformer meinten, es sei an der Zeit, zur Natur, sprich: zum Kapitalismus, zurückzukehren. Wiedereinführung der formalen rechtlichen und politischen Gleichheit, kombiniert mit der Wiedereinführung des Privateigentums, dies war stets das wirkliche Programm der Reform „Sozialisten“. Dahinter steckt die zutiefst bürgerliche Überzeugung, dass ein Hinausgehen über die nur (!)  politisch-rechtliche Gleichheit zur Abschaffung der Klassenunterschiede unmöglich sei, der Natur des Menschen widerspreche usw. Im Kampf gegen diese Kernbestände bürgerlicher Ideologie hatten einst Marx und Engels den wissenschaftlichen Sozialismus entwickelt, für den auch Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht fochten. Die Berufung der Reform- „Sozialisten“ und heutigen Sozialdemokraten wie Gysi auf das Erbe von Marx und Rosa Luxemburg ist daher ebenso widerwärtig, wie es die „Verteidigung“ dieses Erbes durch die SED-Greise war. Wie hätte wohl die Klassenkämpferin Luxemburg auf den unschuldig-vulgären Gebrauch ihrer Worte von der Freiheit des „Andersdenkenden“  durch die 89er Wende - „Revolutionäre“ reagiert?

Vielleicht so: Wer nach Demokratie = Volksherrschaft schreit, dabei aber vergisst, die Massen gegen den beginnenden Fischzug der Deutschen Bank wachzurütteln, möge mich gefälligst aus dem Spiel lassen. (Übrigens wurden Rosa und Karl von Andersdenkenden ermordet) Jedoch gab es in der DDR auch Leute, die sich als Sozialisten gegen die Funktionärsherrschaft wendeten, d.h. den Klassenwiderspruch zwischen der Funktionärsschicht und den Werktätigen als Ausgangspunkt der Kritik wählten und sich entsprechend klar vom „goldenen Westen'“ abgrenzten. Dabei handelt es sich z.B. um die Sektion DDR der KPD, die in der zweiten Hälfte der 70er Jahre illegal arbeitete, bevor sie von der Stasi zerschlagen wurde.

Gewiss: für diese Form von Opposition waren die Westmedien nicht zu begeistern. Statt der von vielen nach dem Super-Gau des Real – „Sozialismus“ erwarteten größeren Ruhe und Stabilität wenigstens im Innern der Industriestaaten sowie im internationalen Rahmen ist eine gegenteilige Entwicklung zu beobachten. Vom Ende des Real -„Sozialismus“, mit dem zunächst viele ihre sozialistischen Hoffnungen begruben, profitieren gleichermaßen das Kapital und die schwärzeste Reaktion überall auf der Welt. Ob Rassisten und Faschisten, ob Popen oder Mullahs, sie alle wittern Morgenluft, nachdem die Arbeiterbewegung diese doppelte Niederlage hat hinnehmen müssen. Im Osten Europas kehrt man  zu  einem   Steinzeitkapitalismus   zurück, im Westen wird ein beispielloser sozialer roll back versucht,  sollen die Gewerkschaften zahnlos gemacht und erkämpfte Rechte vom Tisch gewischt werden. All dies zeigt auch, dass die Story vom nunmehr stabilen Kapitalismus und dem Ende des Sozialismus ein Märchen ist.

Gewiss, die Spitzen der Gewerkschaften stellen sich an die Seite der Monopole, tun alles, um die Arbeiterbewegung zu zersetzen. Wenn die Werktätigen konsequent, ohne Rücksicht auf Kapitalsinteressen und organisiert für ihre ureigenen Interessen kämpfen, werden sie die Grundfesten der barbarischen kapitalistischen Ausbeuterordnung erschüttern, die zu Faschismus, Krieg und Niedergang der Zivilisation führt. Die Marxisten und Sozialisten werden in Deutschland wie anderswo Anstrengungen unternehmen, um die Erfahrungen des Sozialismus und seines Verrats zu verarbeiten, die Zersplitterung zu überwinden, bis sie wie 1918 Rosa Luxemburg bei der Gründung der KPD sagen können:

„Wir stehen wieder bei Marx, unter seinem Banner.“

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